Die Aktien des Pharmakonzerns Novo Nordisk erleben seit Dienstag dieser Woche ein wahres Kursdebakel. Analysten revidieren ihre Prognosen nach unten und verweisen auf verstärkte Konkurrenz im Markt.
Der Börsenkurs von Novo Nordisk geriet nach einem fast 30-prozentigen Einbruch am Dienstag in einen anhaltenden Abwärtssog. Die Aktie, die für das Abnehmmedikament Wegovy steht, gab am Mittwoch um weitere 7 Prozent auf 44 Euro nach, gefolgt von einem Rückgang um zusätzliche 5 Prozent auf 42,50 Euro am Donnerstag – ein Dreijahrestief. Nachdem die Aktie im Sommer 2024 noch einen Höchststand von 125 Euro erreicht hatte und Novo Nordisk zum damalig wertvollsten europäischen Konzern avancierte, sind ihre gesamten Gewinne von über 150 Prozent nun vollständig eliminiert, wodurch der Kurs wieder dem von Frühjahr 2022 entspricht.
Interne und externe Schwierigkeiten führen zu Chefwechsel
Seit Herbst 2024 sieht sich der dänische Pharmagigant einer Welle von Problemen gegenüber: enttäuschende Ergebnisse aus klinischen Studien, die aggressive Expansion des US-Wettbewerbers Eli Lilly und das Fehlen eines erfolgreichen Nachfolgers für das Blockbuster-Medikament Wegovy. Infolgedessen erwartet Novo Nordisk für 2025 lediglich ein Umsatzwachstum von 8 bis 14 Prozent, während die vorherige Prognose zwischen 13 bis 21 Prozent lag. Die Erwartungen an das operative Ergebniswachstum wurden ebenfalls nach unten korrigiert, von 16-24 Prozent auf 10-16 Prozent. Dennoch konnte im zweiten Quartal (April bis Juni) ein Umsatzanstieg von 18 Prozent und ein Gewinnzuwachs von 40 Prozent verzeichnet werden.
Eli Lilly: Das überlegenere Produkt?
Einige Branchenexperten sehen das Kernproblem von Novo Nordisk in einem überlegenen Konkurrenzprodukt von Eli Lilly, wie die „Financial Times“ berichtet. Studien legen demnach nahe, dass Lillys Medikamente Mounjaro und Zepbound einen effektiveren Gewichtsverlust bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungen als Novo Nordisks Ozempic und Wegovy bewirken, so Ärzte, die von der „FT“ zitiert werden.
Viele Analysten und Investoren halten Lilly in diesem Segment inzwischen für nahezu unschlagbar. Tim Opler von Stifels globalem Gesundheitsbereich kommentierte gegenüber der „FT“: „Lilly hat mit doppelter Geschwindigkeit an der Vermarktung gearbeitet. Lilly hat Novo Nordisk einfach überflügelt.“
Emily Field, Analystin bei Barclays, beschrieb den Kursrückgang von Novo Nordisk im letzten Jahr gegenüber der „FT“ als einen „langsamen Autounfall“. Das Unternehmen habe gegenüber Lilly sowohl bei den Verkäufen aktueller Adipositas-Medikamente als auch bei den in Entwicklung befindlichen Präparaten Terrain verloren. Während die Anteile von Novo Nordisk im letzten Jahr um 60 Prozent fielen, zeigte sich Lillys Aktie mit einem Minus von nur 6 Prozent deutlich widerstandsfähiger.
Geringe Marktdurchdringung: Eine verpasste Gelegenheit?
Andere beurteilen die Situation weniger drastisch. „Sie waren ein unglaublich erfolgreiches Unternehmen. Der vorherige CEO hat Erstaunliches geleistet. Der Aktienkurs sei trotz vielfältiger Kritik stark gestiegen, so die Aussage von Gareth Powell, Fondsmanager für Gesundheitsprodukte bei Polar Capital, gegenüber der „Financial Times“. Er fügte hinzu: „Der Markt ist, was die Durchdringung angeht, noch sehr klein. Theoretisch besteht also eine riesige Chance.“
Manche Beobachter wie Evan Seigerman, Analyst bei BMO Capital Markets, sehen die Schwächen von Novo Nordisk nicht nur im Produkt selbst, sondern auch in strategischen Versäumnissen. Er kritisierte gegenüber der „FT“, das Unternehmen sei bereits vor der Markteinführung schlecht auf die hohe Nachfrage vorbereitet gewesen. Zudem habe Novo Nordisk in den USA zu zögerlich agiert, als viele Patienten bereit waren, die Kosten ihrer Abnehmmedikamente selbst zu tragen und dabei bewusst ihre Versicherungen umgingen. Nach Ansicht von Evan Seigerman waren die Umsatzprognosen der Firma fehlerhaft, da sie zum Teil auf dem Vorgängerprodukt Saxenda aufbauten, das bei der Gewichtsabnahme wesentlich weniger wirksam ist.
Zu vorsichtiges Marketing bei Novo Nordisk?
Analysten kritisieren zudem das scheinbar überforderte Marketing. Dem Unternehmen fiel es offenbar schwer, vom traditionell auf Ärzte und Insulinprodukte ausgerichteten Geschäftsmodell in den stark konsumorientierten Markt für Medikamente zur Gewichtsabnahme zu wechseln – ein Bereich, der zunehmend von Prominenten und sozialen Medien geprägt ist. „Das war völliges Neuland“, so eine dem Unternehmen vertraute Person gegenüber der „Financial Times“.
Im Vergleich zu Eli Lilly wirkte Novo Nordisks Markteintritt zögerlich. Barclays-Analystin Field sprach gegenüber der „FT“ von „sehr viel Skepsis“ gegenüber der kommerziellen Strategie des Unternehmens. Lillys Vorgehen sei dagegen „viel aggressiver“ gewesen. Manche Beobachter sind der Meinung, dass Novo Nordisk bei der Markteinführung seines Produkts zu nachlässig war und sich zu sehr auf die Stärke des Medikaments konzentrierte, statt aktiver dessen Verfügbarkeit für Patienten sicherzustellen.
Die Ernennung des neuen Chefs fällt zudem in eine herausfordernde Zeit für die Pharmabranche. US-Präsident Donald Trump (79) droht mit Importzöllen und drängt die Hersteller zu Preissenkungen. Unter dem vorherigen CEO war Novo Nordisk durch den Boom bei Abnehmspritzen zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen Europas aufgestiegen und im Juni 2024 auf dem Höhepunkt mit bis zu 615 Milliarden Dollar bewertet worden. Der Börsenwert hat sich nach diesem Höhepunkt allerdings mehr als halbiert. Dies schürt zunehmende Besorgnis bei den Anlegern, insbesondere bezüglich der Entwicklung neuer Medikamente und der Fähigkeit des Unternehmens, sich in der US-Marktsituation zu behaupten. Die vollständigen Zahlen für Q2 werden für am 6. August erwartet.
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